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Die Erfinder des »Shantybilly«

Maret und Iko auf Weltreise
Brief 4 vom 16.12.2004 Teil 1


Zwischenlandung in Afrika

Ist es wirklich schon zwei Monate her, daß wir uns zum letzten mal bei Euch gemeldet haben? Unglaublich, wie die Zeit vergeht! Um uns an die Ereignisse seit Mitte Oktober zu erinnern, mussten wir schon mal tief in unserem Bordtagebuch graben.

Die kleine Insel Graciosa, im Norden von Lanzarote gelegen, hatte uns sehr beeindruckt. Nicht nur, weil man im 5-Minuten-Takt hoch von der Saling in himmelblaues Wasser springen konnte, es war vor allem die ruhige Lebensart, der Schlendergang der einheimischen Bevölkerung, die Kargheit und scheinbare Unberührtheit der wüstenähnlichen Insel, die „community“ mit den vielen sehr sympathischen Seglern aus aller Welt und noch vieles mehr, das uns für drei Wochen dort hielt.

Eine Woche lang hatten wir Besuch von Stefan aus Oldenburg, der einen 8-er Imbus von Willers, ein Glas Honig und ein paar deutsche Zeitungen mitbrachte. Unsere Wunschliste wäre bestimmt noch sehr viel länger ausgefallen, hätte sich sein Besuch nicht so spontan ergeben. Als wir ihn nach einer Woche nach Lanzarote zum Flughafen brachten, lagen wir für ein paar Tage mit dem Boot vor Arrecife, der Inselhauptstadt. Was für ein krasser Unterschied zu der Abgeschiedenheit der Vorwochen. Eigentlich hätten wir von dort aus in Tagesetappen über Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa nach La Gomera segeln können, aber wir hatten gar keine Lust auf die „normalen“ Kanarischen Inseln. Um zu einer Entscheidung zu kommen und uns nicht gegenseitig zu beeinflussen, musste jeder von uns auf einen Zettel schreiben, wo es als nächstes hingehen sollte. „Graciosa, as soon as possible“ und „morgen nach Graciosa“ war ein eindeutiges Ergebnis.


Zurück auf unserer Insel war es immer noch schön, aber leider drehte der Wind immer wieder auf Südwest. Ankern unmöglich. Wochen vor unserer Ankunft waren in der Ankerbucht südlich von Graciosa zwei Segelboote auf die Felsen gedrückt worden. Keine Experimente! Kurz vor unserer Abreise streikte dann, als sollte es ein Weckruf sein, plötzlich unser Kocher, leckte die Süßwasser-Fußpumpe, drang ein plötzlicher, heftiger Schauer durch das Seitenfenster auf die Polster und Maret bekam nach einer Strandparty, zu der wir, wie schon so oft die musikalische Untermalung geliefert hatten, heftige Kopfschmerzen. Ein kurzer Auszug aus Iko´s Tagebuch gibt einen Eindruck über den Bordalltag der nächsten fünf Tage.

Montag, 01.11.2004 – La Graciosa

Endlich wieder ankern, wenn auch nur für einen Tag, denn morgen heißt es endgültig Abschiednehmen von La Graciosa. Der Wind soll bis zum Wochenende wieder einmal auf Südwest drehen, ein Tief zieht von Marokko aus in unsere Richtung. Wir schnorcheln wie die Weltmeister, sitzen bei Antje und Norbert aus Rostock auf dem Boot und reden über Gott und die Welt. Abends veranstalten wir ein Potlack auf unserem Boot. Ich bereite vegetarische Frikadellen, Antje und Norbert bringen frisch geräucherten Fisch und Pizza, Inga und Sören Zuccini und Wein. Netter Abend bei einigem Geschaukel.

Dienstag, 02.11.2004 – La Graciosa – Teneriffa

Schönes, ruhiges Segeln bei fast halbem Wind. Wieder ist bereits nach kurzer Zeit ein Fisch am Gummipulpo. Zum ersten mal eine Dorade. Sieht sehr schön aus mit ihrem goldenen Schimmer und der markanten Schwanzflosse. Der Fisch gibt einen guten Einstand für unseren Abschied vom Paradies. Für eine Nacht stellt sich natürlich noch nicht die normale Routine der Langfahrt ein und so fällt es schwer, sich dem Rollen und Rumpeln und Rauschen und Knarren zu ergeben und einfach einzuschlafen. Der Mond steht hell am Himmel, Lanzarote und später Fuerteventura ziehen vorbei, es ist hell und lauschig in dieser Nacht.

Mittwoch, 03.11.2004 – La Graciosa – Teneriffa

Morgens um 5.30 Uhr ist der Wind weg. Motoren bis zum Mittag und legen dann einen Badestop ein. Teneriffa und der Teide sind schon lange in Sicht. Mit Taucherbrille finde auch ich es jetzt herrlich, in 2km tiefes Wasser zu tauchen, das Schiff von unten zu sehen, die Explosion von Sonnenstrahlen im dunklen Blau. Die restlichen 10 Meilen bis nach Santa Cruz segeln wir. Santa Cruz, Marina Atlantico, nah der Innenstadt. Monsterkräne entladen Containerfrachter, Fähren legen ab und an, am Ende des langen Hafenbeckens liegt die Marina. Direkt am Ufer verläuft eine große Straße. Lärm, Gestank, Hektik. Wer möchte hier schon freiwillig sein? Viele, wie es scheint, denn die riesige Marina ist voll und einige liegen hier für Monate. Ein Alptraum!

Donnerstag, 04.11.2004 – Santa Cruz, Teneriffa

Die Chandler haben kein gutes Petroleum, dafür aber eine Fußpumpe, die wir gleich mitnehmen und einige Gastlandflaggen, auch die der Kapverden. Wegen des Petroleums werden wir zur Tankstelle beim Corte Inglese geschickt, einem riesigen Kaufhaus, über 8 Stockwerke hoch. Heinz-Jürgen vom Transocean Stützpunkt auf Teneriffa, der uns dankenswerterweise seine Hilfe angeboten hat, ist per Handy als Dolmetscher zugeschaltet. Das Petroleum in der Tankstelle taugt leider auch nichts. Großer Reinfall. Haben wir doch damals in Spanien extra bei Heinz-Jürgen nachgefragt, ob es gutes Petroleum auf der Insel gibt. Sonst hätten wir uns den Abstecher nach Teneriffa sparen können und wären vielleicht nach Las Palmas gesegelt. Heinz-Jürgen kommt morgen Vormittag zum Hafen und fährt mit uns zur Raffinerie. Die soll sauberes Petroleum verkaufen.

Freitag, 05.11.2004 – Santa Cruz – Pico Roja, Teneriffa

Um 10.00 Uhr kommt Heinz-Jürgen in Begleitung eines ebenfalls älteren Herren auf den Steg. Der nette Herr, wohl mit H-J bekannt, hat die neusten Nachrichten. Auch das Petroleum direkt ab Raffinerie sei von zweifelhafter Qualität, da direkt nach der Raffinade zwar hochrein, aber dann in alte Ölfässer geschüttet. Aber gutes Petroleum gäbe es doch auf Martinique. Wir rechnen nach, bis Maritinique würde unser Vorrat von 30 Litern reichen, wenn wir für unsere Lampen noch billiges Petroleum dazukaufen. Maret ruft vorsichtshalber gleich den TO-Menschen auf der Karibikinsel an, der natürlich noch schäft, dort ist es gerade erst 6.00 Uhr in der Frühe. Aber er bestätigt, dass es wirklich gutes Petroleum an den Inseltankstellen gibt. Auf Martinique wird nach seiner Auskunft mit diesem Stoff gekocht und genau das wollen wir ja auch. Also hält uns hier nichts mehr. Wir machen uns auf, eine nette Ankerbucht zu finden, oder bis Los Christianos im Westen von Teneriffa weiterzusegeln. Bis Gomera schaffen wir es heute nicht mehr und wollen uns auch eine Nachtfahrt ersparen. Südlich des Pico de Roja, einem roten Berg, der etwas ins Meer hineinragt, liegen wir schließlich und haben eine etwas rollige, aber dennoch schöne Nacht vor Anker.



La Gomera war unser nächstes Ziel. Dort wollten wir uns auf den großen Schlag vorbereiten. Einige befreundete Segler warteten bereits auf uns und waren in ihren Vorbereitungen schon sehr weit fortgeschritten. Nur der Wind musste noch stimmen. Jeden Morgen bildete sich vor dem Schaukasten der Marina eine Menschentraube und diskutierte die aktuelle Wetterprognose. In den ersten sehr verregneten Tagen auf der Insel stand unsere Bordküche unter Dauerdampf. Wir weckten literweise Bolognesesauce und Gulasch ein. Leider waren unsere Versuche nicht so erfolgreich, wie gewünscht. Von 12 Gläsern mussten wir 9 in den Hafen kippen, sehr zur Freude der vielen Fische, noch mehr jedoch zu unserem Frust. Auch die guten Tips von Mariann, der Küchenfee aus der Schweiz halfen da nicht.

Das Thema Einwecken war irgendwann abgehakt. Für eine Woche hatten wir Besuch von Marets Familie. Wieder gab es eine große Wunschliste und eine dementsprechende Bescherung. Endlich kamen wir auch mal nach Valle Gran Rey, dorthin, wo die alternative Touristenkarawane so lange hingezogen war und gemütlich unter Bananenplantagen saß und die Sonne abends ins Meer trommelte, bis alle anderen nachzogen. Heute ist das Valle Gran Rey immer noch ein schönes Reiseziel und ins Meer getrommelt wird auch noch (es funktioniert, sie ging wirklich unter!), aber die wahren Hippies sitzen jetzt in noch abgeschiedeneren Tälern der Insel in ihren Höhlen und Strandhäusern unter Palmwedeln. Als uns Uli aus Oldenburg für zwei Wochen besuchte, stand bereits fest, dass wir nicht direkt über den Atlantik segeln, sondern auf dem Wege einen Zwischenstop auf den Kapverdischen Inseln einlegen wollten. Da Uli uns leider doch nicht über den großen Teich begleiten kann, waren wir in unserer Entscheidung frei und fanden einen kleinen Abstecher nach Afrika sehr spannend.

Mit Ulis Hilfe luden wir das Schiff voll bis zur Oberkante. 4 große Einkaufswagen aus den örtlichen Supermärkten rollten in der letzten Woche über den langen Pontoon C. Am Tag vor unserer Abfahrt noch einer voll mit Obst und Gemüse vom Bauernmarkt. Jede Ecke war irgendwann vollgestopft mit Lebensmitteln, Klopapier und allem, was wir in den nächsten zwei Monaten brauchen würden. Auf den Kapverden sollte vieles sehr teuer und schwer zu bekommen sein.

Am letzten Tag kam noch Aufregung auf. Reinhard, Einhandsegler aus Flensburg war einen Tag vor uns abgereist und saß jetzt auf Hierro mit einem Leck im Rumpf. Wir sollten ihm mal eben ein paar Liter Epoxy dorthin bringen. So ganz traurig waren wir nicht, dass es auf Gomera kein Epoxy gibt. So mussten wir den armen Reinhard mit seinem Leck allein lassen und hoffen, dass er das Problem irgendwie lösen konnte.
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