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Die Erfinder des »Shantybilly« |
Maret und Iko auf Weltreise |
Brief 5 vom 09.05.2005 Teil 1 |
Neunzehn Inseln - vor dem langen Weg nach Hause
Carriacou im Februar
Rosie´s schwimmende Bar ist bestimmt die schönste Kneipe der kleinen Antillen.
Das Angels Rest in der Tyrrel Bay auf Carriacou, ein ehemaliger Katamaran mit einer Plattform und einem Dach aus Palmwedeln darüber. Wenn zu viele Leute gleichzeitig auf den Matratzen am Bug liegen, kommen auf der Theke die Drinks ins rutschen.
Rosie kommt aus Edinborough und lebt seit 14 Jahren auf der Insel. Wenn sie nicht hinterm Tresen steht, vermietet sie Fahrräder. Unter den Palmwedeln des Angels Rest gaben wir zwei kleine Konzerte. Während Maret eines Tages krank im Bett lag, schrieb Iko den Song "Angels Rest". Natürlich wollte Rosie ihn hören, also nahmen wir unsere Instrumente mit auf den schaukeligen Kat und führten den Song und andere auf. Am ersten Abend kamen ein paar Segler vorbei, Franzosen, Holländer, Engländer.
Die Insel wird nicht mehr so häufig angelaufen, wie noch vor "Ivan", dem schrecklichen Hurrican des letzten Sommers. Mit zehn Besuchern ist die Kneipe aber eh voll. Am zweiten Abend filmte Maret ein paar neue Songs im karibischen Ambiente. Vielleicht wird ja mal eine DVD daraus. Iko wurde ein paar Tage zuvor von einem Pickup-Truck mit getönten Scheiben verfolgt, als er gerade einen Spaziergang zu einem einsamen Strand im Inselsüden machte. Ein bulliger Typ mit Baseballkappe versperrte ihm den Weg. So naiv, wie die Inseln und ihre netten Einwohner auch wirken, hinter den Kulissen gehen doch noch andere Dinge ab. Der Typ hielt Iko für einen Drogen-Kurier, die angelaufene Bucht ist einer der Hauptumschlagplätze der Gegend für Kokain und Heroin. Das Zeug kommt aus Venezuela hier an und macht seine Runde auf den niedlichen Inseln. Viele hier sind Crack-Abhängig. Es war wohl das erste mal in seinem Leben, daß ihn jemand für einen Drogen-Kurier hielt.
Auf Rosies Mountainbikes erkundeten wir die Insel bis zum höchsten Punkt, dem Hospital Hill. In Hillsborough, dem größten Ort auf der Insel wurde der Karnelval vorbereitet. Am Dienstag nach Rosenmontag kamen wir wieder dorthin. Der Karneval hatte inzwischen deutliche Spuren hinterlassen. Niedergestreckt lag ein Jeck im Schatten einer Veranda und schlief seinen Rausch aus. Laut drönte die Liveband von der Straße. Der kleine Karnevals-Umzug war schnell durch. Danach flimmerte wieder die Hitze auf dem Asphalt. Wir zogen weiter nach Union Island.
St.Vincent and the Grenadines im März
Union ist die größte der Grenadinen und für viele nur ein Ort zum Einklarieren. Wir verbrachten hier einige sehr schöne Tage, machten wieder eine Radtour um die Insel, ankerten in verschiedenen Buchten und fanden die Insulaner ausgesprochen freundlich. Mit Manfred und Jakob Nacken, die für zwei Wochen an Bord waren, kamen wir noch einmal hierher.
Mit Manfred und Jakob in der Windward Bay, Mayreau
Nach Einkauf, Flugticketkauf und Internet schlenderten wir in die Pelican Bar am Hang, westlich der Ankerbucht. Jutta aus Deutschland und ihr Mann, ein Australier, leben seit 18 Jahren in Clifton und haben sich ein kleines, sehr obskures Paradies geschaffen.
Von der Bar aus sahen wir unser Boot im Getümmel der vielen anderen Segler liegen. Wir waren wieder einmal die Kleinsten.
Auf dem Rückweg durch Clifton wurde es langsam dunkel. Die Menschen kamen aus ihren Häusern, auf der Straße pulsierte das Leben. Vor einer Bar standen ein paar Straßenmusiker aus St.Vincent, auf Tournee durch die Grenadines. Zwei knorrige Alte an Banjos spielten stoisch immer die gleichen drei Akkorde. Ein Trommler stand an einer Bass-Steeldrum. Bumm-Bumm-Bimm-Bumm-Bumm-Bimm-Bumm-Bumm, einfach zwei Tiefe Töne im Calypso-Takt. Auf 16 alten Konservendosen brillierte der Star der Band, ein Virtuose auf seinem Instrument. Im Hintergrund tanzte, wie in Extase einer mit leicht spastischen Bewegungen. Die Rhythm-Section an der Rassel. Viele Insulaner blieben stehen. Geklatscht wird hier niemals, das ist uncool. Ab und zu kam ein Zwischenruf als Ausdruck höchster Begeisterung: "Jah Man!"
Im Staate St.Vincent and the Grenadines hielten wir uns einen ganzen Monat auf. Kreuzten mal hierhin, mal dorthin, immer im 10-Meilen-Radius. Mayreau, die Tobago Cays, Canuan, Bequia, so viele Kleinode hat man selten auf einem Haufen. Der Aufenthalt dort war die entspannteste Zeit in den letzten Monaten.
Tobago Cays: "65 Boote vor Anker hinterm Horseshoe-Reef in türkisblauem Wasser. Der bekannteste Ort in der Karibik, so scheint es uns. Mit dem Dinghy motoren wir an die Riffkante, machen an einer der Moorings fest. Höchstens einen Meter misst die Wassertiefe bis zur Kante. Man schnorchelt nur Zentimeter über einer bildschönen, aber etwas maroden Korallenwelt. Auch hier der Hurrican, aber auch 20 Jahre Ankerwerfen ohne Obacht. Jetzt gibt es ja immerhin die Moorings für die Beiboote. An der Riffkante geht es plötzlich steil abwärts. 20 Meter, man blickt in tiefes Blau. Maret sieht einen Riffhai an sich vorbeiziehen. Meeresschildkröten und vieles andere Meeresgetier gibt sich die Ehre. Abends sitzen wir auf Petit Rameau und essen Lobster vom Grill. Dazu gibt es das selbst mitgebrachte Bier und einen wundervoll kitschigen Sonnenuntergang."
Als wir auf St.Vincent, dem "Mainland" ankamen, sollte es eigentlich nur ein kurzer Halt werden. Wir hatten einige böse Geschichten gehört. In der Wallilabou-Bay soll es Überfälle auf Jachten gegeben haben. So blieben wir im Süden der Insel, im Schutz von Young Island. Neben uns lag eine Megayacht, von der es hieß, Jonny Depp würde dort für die Zeit der Filmaufnahmen für die "Pirates of the Carribean" wohnen. Gesehen haben wir ihn leider nicht.
St.Vincent: "Mit dem Maxi-Taxi geht es in wilder Fahrt nach Kingstown, der Metropole des Staates. Im Bus lernen wir Cloretha Dean kennen, Marktfrau in Kingstown. Wir versprechen ihr, sie an ihrem Marktstand C30 zu besuchen. Buntes Treiben am Busbahnhof. Unzählig viele Vans warten auf Kundschaft. Die Fahrer hängen meistens halb aus dem Seitenfenster und brüllen Kundschaft herbei. Ein System lässt sich nicht erkennen, aber ganz am Ende der Straße finden wir einen Subaru, der uns nach Vermont bringt. Das liegt etwa 10 Kilometer im Inselinneren, mitten in den Bergen, Startpunkt des Vermont Nature Trail.
Unser Minivan ist rappelvoll, auf 18 Personen kommen wir im Maximum. Die Stimmung im Bus ist ausgelassen und legt mit jedem weiteren Fahrgast noch zu. Die dicke Dame vor uns wiegt den Kopf im Takt des hibbeligen Soka aus dem Radio.
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Am Fuße des Petit Piton, St. Lucia
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Auf dem ersten Stück Nature Trail treffen wir auf schlacksige Männer, die auf großen Blechen Bananen auf ihren Köpfen tragen. Unten im Tal fließt ein kleiner Bach und an den Hängen wachsen Bananenstauden in grüner Pracht. Ja, so haben wir uns die Tropen immer vorgestellt.
Der Weg führt uns weiter ins Dunkel des Waldes. Riesenfarne, hoch wie Bäume strecken ihre Köpfe weit in den Himmel, doch darüber tronen die Kronen der Baumriesen und nehmen allen darunter das Licht. Bis in 30 Meter Höhe sind sie umschlungen von Schmarotzerpflanzen. In einem Fall ist der Baumriese bereits verschwunden. Erwürgt von den Schingen des Schmarotzers. In der Mitte hohl. In den Kronen der Baumriesen leben und brüten die St.Vicent-Papagaien, von denen es nur noch ein paar hundert gibt. Wir hören ihre krächzenden Rufe und erhaschen auch mal einen kurzen Blick von einem Kandidaten im Flug.
Der Rückweg nach Kingstown wird ein langer. Es ist brütend heiß, als wir aus dem schattigen Wald treten. Kein Maxi-Taxi kommt uns entgegen. So laufen wir bis hinter Vermont, einer kleinen Bergsiedlung mit den typischen, bunten Holzhütten, die wegen der Ratten und dem vielen Wasser auf Stelzen gebaut sind.
Esel, Ziegen und immer wieder diese gelben Hunde säumen unseren Weg abwärts, anscheinend auf allen Inseln der südlichen Antillen sind sie im gleichen Ockerton und mit ähnlicher Statur.
Schließlich kommt uns ein Van entgegen. Es ist der selbe Fahrer, wie heute Vormittag, er winkt schon von weitem. Mit einem Affentempo gelangen wir ans Meer nach Layou und suchen einen Bus zur Wallilabou-Bay, wo gerade die Kulissen für den "Fluch der Karibik" aufgebaut werden. Drei mal donnern große Trucks mit den Filmrequisiten an uns vorbei, doch in diese Richtung fährt wohl sonst niemand. (auch hier kein Jonny Depp). In Layou finden wir ein kleines Restaurant und wie so oft und ungefragt gibt es Chicken mit Reis, das günstige Standardgericht in fast allen Restaurants in diesem Teil der Erde.
Der Bus zurück nach Kingstown wird von einem Rasta gelenkt, der anscheinend irgendein Problem hat, oder mächtig unter Drogen steht. Kreischend bricht das Heck aus, die alten Reifen rumpeln fast auf den Felgen, es wird immer nur in Kurven und bei Gegenverkehr überholt. Wir krallen uns an die Lehnen der Bänke vor uns, nur mühsam den Reflex unterdrückend, den Mann da vorne anzubrüllen.
Wie wir später erfahren, ist der Verrückte auf der ganzen Insel als "crazy driver" bekannt. Er bedient die Strecke von Chateaubelair im Inselnorden bis Kingstown im Süden, ein ständiger Wettlauf mit den vielen anderen Vans um die wenigen Fahrgäste. Wir sind froh, lebend in Kingstown anzukommen. Die Rückreise über den Atlantik kann uns jetzt eigentlich nicht mehr schocken.
Am Busbahnhof herrscht immer noch das selbe rege, laute, chaotische Treiben, wie am Vormittag. Wir setzten uns mit einem Bier an die Kaimauer und genießen den Trubel um uns herum. Ein Typ in auffällig bunter Kunstseidentrainigshose und Netzhemd spricht uns an. Als wir uns als Deutsche zu erkennen geben, zählt er einige Fußballgrößen unseres Landes auf, schwört jedoch auf die Brasilianischen Ballgötter. Wen wunderts.
Bis nach Sonnenuntergang sitzen wir mit Carver auf dem immer noch heißen Beton der Kaimauer und reden über unsere Reise und er erzählt uns von sich und seinem Leben auf dieser Insel. Singt mit weicher Stimme Lieder von Bob Marley, die er gestern Abend noch in einer Caraoke-Bar gebracht hat. Nettes Gespräch, ohne das Gefühl damit gleich wieder eine Dienstleistung zu kaufen. Zwei heruntergekommene Kerle mit schwerer Schlagseite kommen vorbeigetorkelt, wollen Geld und Zigaretten. Carver kennt die beiden, sie sind schlimm auf Crack. Ein junger Rasta kommt des Weges, der sich Beloved nennt und wie alle Passanten unseren Freund kennt. Auf die Frage, wie denn sein richtiger Name sei, antwortet er, daß auch seine Eltern Rasta seien und ihm diesen Namen gegeben hätten. Respect man!"
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