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Maret und Iko auf Weltreise |
Brief 5 vom 06.02.2005 Teil 1 |
Von den Kapverden in die Karibik
Carlos und Elisabeth auf Sal entließen uns nicht von ihrer Insel, ohne an einem großen Fest teilgenommen zu haben. Eine Einladung zu einer Insulanerhochzeit auf Sal, das war eine große Ehre, die wir nicht ausschlagen konnten.
Etwas betreten schauten wir auf unsere Klamotten, salzverkrustete Halbschuhe, kaum ein Hemd ohne Rostflecken. Da musste Abhilfe geschaffen werden. Carlos verlieh eines seiner Hemden und in Espargos fanden wir einen schicken Italienischen Schuhladen. Letztlich blieben es dann doch die salzverkrusteten Halbschuhe, denn wir hatten vergessen, Geld mitzunehmen. Mit viel Vaseline auf Hochglanz gebracht erfüllten sie dann doch ihren Zweck.
Als wir pünklich deutsch um viertel vor vier an der Kirche warteten, tat sich dort erst einmal gar nichts. Um vier Uhr sollte die Trauung beginnen, aber Carlos hatte uns schon vorgewarnt, dass die Uhren hier etwas anders laufen. Um halb fünf verliess der Pfarrer sein Haus und fuhr mit dem Auto davon. Hatten wir uns in der Kirche geirrt? Aber drinnen war es feierlich geschmückt. Um halb sechs endlich kamen die ersten Hochzeitsgäste vorgefahren. Schließlich wimmelte der Platz vor der Kirche von protzigen Autos, festlich gekleideten Menschen, die eine Eleganz versprühten, die uns wiederum etwas betreten auf unsere Schuhe blicken ließ.
Im größten Restaurant im Ort wurde von der ersten Minute an bis zum Ende der Nacht nach Kapverdischen Rhythmen (Mischung aus African Beat, Samba und Portugiesischem Fado) getanzt und unentwegt gegessen. Am nächsten Morgen um 9.00 Uhr wurde Carlos schon wieder aus dem Haus geholt, denn das Fest sei doch noch nicht zu Ende. Wie er uns erzählte, können solche Feste 3-4 Tage dauern.
Für uns jedoch wurde es Zeit, den Anker zu lichten, wenn wir noch etwas anderes als Sal sehen wollten. Wir verabschiedeten uns von Elisabeth und Carlos und auch von Sophia und Ed aus Holland. Wir hatten einige sehr lustige Momente mit den beiden. Als wir das erste mal aus Espargos kamen, hatten wir von einer Cholerawarnung gehört. Wir waren etwas verunsichert, denn die Cholera sollte durch Gemüse aus dem Senegal und Körperkontakt mit Senegalesen übertragen werden. Gerade hatten wir ein sehr nettes Gespräch mit einem senegalesischen Straßenverkäufer in Espargos geführt und ihm zum Abschied die Hand geschüttelt. Ed lachte sich kaputt. Er meinte, ungewaschenes Gemüse zu essen, sei wirklich wenig ratsam, ebenso sollte man keinen Senegalesen essen. “Don´t eat a Senegalese“, das war für die nächsten Tage unser Motto.
Von Palmeira aus segelten wir in den Süden der Insel und ankerten direkt vor Santa Maria mit seinem traumhaften kilometerlangen Sandstrand. Wir sahen dort wirklich viele Hotels und Touri-Nepp, aber verglichen mit manchem deutschen Badeort war das hier noch sehr moderat und nett.
Auf den 25 Meilen nach Sal Rei auf Boa Vista riss etwas so kräftig an unserer Schleppangel, daß die Angel zerborsten und der Haken einfach abgebrochen war. Da hatten wir doch gerade dickere Sehne und größere Haken gekauft, weil unsere doch angeblich viel zu klein seien und jetzt das hier. Was hätten wir mit einem Fisch von solcher Kraft wohl anfangen sollen?
Auf Boa Vista liegt man am besten vor der kleinen Insel Sal Rei, etwa eine Meile vom gleichnamigen Inselort entfernt. Es war sehr einsam dort und etwas unheimlich. Eine Nacht lang lagen wir dort völlig allein, von Land aus war unser Boot kaum auszumachen.
Mittwoch, 22.12.2004
„Mit dem Dinghy fahren wir erst einmal zum Ort, um einzuklarieren und ein Internetcafe aufzusuchen. Der Ort ist größer als Palmeira, dafür nicht ganz so verschlafen. Direkt am kleinen Holzpier, wo auch die vielen Segelboote der Fischer liegen, ist ein kleines Restaurant, bestehend aus einem rostigen Seecontainer und einer Überdachung aus Palmwedeln, daneben die Delegacao de Marina, die Einklarierungs- und Zollbehörde. Der Zöllner ist bis Mitte Januar auf Santiago, womit wir den ersten Punkt unseres Tagesprogammes schon abhaken können. Nach ein wenig Suchen und Durchfragen finden wir auch ein Internetcafe. 18 neue Mails warten darauf, gelesen zu werden. Alles Weihnachtsgrüße von Freunden und Verwandten. Nach dem Internetcafe fragend, gerät Maret zufällig an eine Deutsche, die Inga und Sören von der „Show“ kennengelernt hat. Katharina arbeitet für eine Surfschule am Strand und lädt uns ein, bei ihr vorbeizuschauen. Nachdem wir auch noch einen Tischler für unser Pendelruder, eine kleine Markthalle mit frischem Gemüse und einige kleine Supermärkte mit reichem Angebot entdeckt haben, fühlen wir uns hier schon nicht mehr so verloren. Nach einem Drink im Restaurant am Hafen und einem Spaziergang am schier endlosen Strand sitzen wir bis kurz vor Sonnenuntergang in der Strandbar bei der Surfschule und haben gleich eine Verabredung für Heiligabend mit der Surfgang in einem Restaurant irgendwo im Ort oder am Strand. Morgen Abend können wir mit auf ein Barbeque und sollen unsere Instrumente mitbringen. Das fängt ja gut an!“
Wir verbrachten einige herrliche Tage auf dieser Sandinsel mit ihren riesigen Stränden, Wanderdünen, Oasen, kleinen, verschlafenen Dörfern und einigen Vulkanen, wie auf Lummerland. Der Song „sailing on the north atlantic ocean“ fand seine Uraufführung, und Maret bekam von Katharina einen neuen Putz verpasst. Nach dem Weihnachtsfest, das wir doch nicht unter Einheimischen, sondern sehr nett mit den Surfern vom Happy-Surf verbrachten, hieß es für uns schon wieder Abschied nehmen. Die Wetterprognose war einigermaßen gut, wenn auch von Norden noch ein hoher Schwell rollte. Daß wir dann doch erst nach Sylvester aufbrachen, verdanken wir einem Segler, der uns vor der hohen, brechenden Dünung warnte, die ihn veranlasst hatte, seine Fahrt zu unterbrechen. So hatten wir noch ein paar Tage Galgenfrist. Ein letztes Mal hörten wir zum Frühstück das Weihnachtsoratorium und vorm Schlafengehen Harry Potter und die Kammer des Schreckens. Eine ausgelassene Sylvesterparty auf den Straßen von Sal Rei, Gitarrenspieler in den Kneipen, tanzende Menschen um Mitternacht, hupende, röhrende Autos rasten durch die Menschenmenge.
Ohne erneuten Abschied legten wir am Neujahrstag um 15.00 Uhr ab. Kurs 262°, Ziel Tobago, 2222 Seemeilen auf dem Atlantik lagen vor uns. France International gab uns die Wetterprognose: NO 4-6, See bewegt bis grob, vereinzelt Regenschauer und Gewitter. Den Deutschen Amateurfunksender Intermar hatten wir per Mail gebeten, uns unterwegs zu beraten. Leider war der in den ersten Tagen nicht zu empfangen, die Störungen anderer Amateurfunker aus den USA waren zu laut.
Samstag, 02.01.2005
„Um Mitternacht ist der Himmel pechschwarz. Am Horizont zucken vereinzelt Blitze. Kurz nach Beginn meiner Wache beginnt es zu regnen. Hoffentlich gibt es keine Boen! In vollem Segelzeug schwitze ich, wie ein Bulle, da hätte ich gleich nackt draussen sitzen können. Aber nach wenigen Minuten hat es sich schon wieder ausgeregnet. Im Regen hat der Wind nochmal zugelegt. Schätze 6 bft und immer noch die steile, brechende See von achtern. Sehr ungemütlich! Mit der Zeit verlieren die dämonischen Donnergeräusche, das Zucken am Horizont und das Brausen und Gurgeln der Wellen an Schrecken. Als der Mond aufgeht wird es plötzlich Licht. Fühle mich, wie am ersten Schöpfungstag. Drei Stunden können sehr lang werden. In der letzten Stunde meiner Wache schaue ich alle 5 Minuten auf die Uhr. Die Zeit vergeht nicht! Als ich um 3.00 Uhr Maret wecke, hat auch sie, wie ich zuvor, kaum geschlafen. Ich falle in einen unruhigen Dämmerzustand und fühle mich wie von einer Walze überfahren, als um 6.00 Uhr die Nacht für mich vorbei ist.“
Es dauerte ein paar Tage, bis wir unseren Rhythmus gefunden hatten. Zum Glück wurden wir beide nicht seekrank. Der Horizont war immer noch ein braunes Laken vor einer fahlen Sonne. Die Luft voll Staub aus der Sahara, unsere Wanten und Segel rostbraun. Nach jedem Griff ans Achterstag waren die Hände schmutzig.
Unser Wachplan in den folgenden Wochen:
1.Wache 20.00 – 24.00 Uhr Maret, 2.Wache 00.00 – 03.00 Uhr Iko, 3.Wache 03.00 – 06.00 Uhr Maret, 4.Wache 06.00 – 10.00 Uhr Iko. Bis 20.00 Uhr keine feste Wacheinteilung.
Während der 4. Wache ging manchmal ein Fisch an den Haken. Zum gemeinamen Frühstück gab es oft dampfende Brötchen aus der Pfanne. Um 10.40 Uhr folgte der Wetterbericht auf France International. Es war immer Marets Job, ihn zu übersetzen.
12.00 Uhr Mittagsbreite und Länge schießen mit dem Sextanten. 15.30 Uhr Wetterkonferenz auf Intermar. 18.00 Uhr Essenszubereitung. 19.00 Uhr Vorbereitung auf die Nacht (Gurte und Ölzeug herauskramen, Taschenlampen und Kopflampe überprüfen, Dreifarbenlaterne, Kompassbeleuchtung, GPS-Beleuchtung an, Getränke und kleine Snacks für die Nacht bereiten, alles aufklaren, Motor für eine Stunde laufen lassen, um Batterien zu laden).
Montag, 03.01.2005
Der Himmel ist klar. Es ist wärmer geworden, ein toller Tag für eine Decksdusche mit der Pütz. Vorher wird die Fock wieder gesetzt und ausgebaumt. Heute keine Brötchen, dafür Müsli mit Banane und Apfel. Die Bananen unter der Sprayhood sind alle auf einmal gelb geworden und müssen weg. Die See hat sich beruhigt. Rolf von Intermar macht heute die Wetterprognose für den Atlantik und nennt sieben Boote, die gleichzeitig mit uns unterwegs sind, vermutet uns aber ein Stück weiter westlich. Hätten ihm bescheid geben sollen, dass wir später abreisen. Über den Kanaren steht bereits das nächste Sturmtief und schickt uns in den nächsten Tagen hohe Wellen.
Dienstag, 04.01.2005
So ruhig der Tag beginnt, setzt er sich leider nicht fort. Erst wird die Welle merklich höher, dann nimmt der Wind zu, in Spitzen 25 Knoten. Machen heute den ersten Versuch, unsere Position mit dem Sextanten zu schießen. Größtes Hindernis dabei ist das ewige Geschaukel. Wie soll man Sonnenunterrand präzise auf den Horizont bekommen, wenn dabei alles in Bewegung ist? Nach unseren Berechnungen liegen wir nicht einmal so verkehrt. Auf Tobago würden wir zwar nicht ankommen, aber vielleicht werden unsere Ergebnisse mit der Zeit ja noch genauer. Gegen Abend zieht sich der Himmel zu. Zirruswolken ziehen quer über den Passatwolken. Es sind Regenschauer angesagt.
Mittwoch, 05.01.2005
Das ätzendste ist das Geschaukel in der Kreuzsee. Eine Welle kommt aus Nordost, das ist die „gute“ Windsee, eine kommt aus Nord, das ist die „böse“ Dünung vom Sturmtief über den Kanaren. Manchmal türmen sie sich gegenseitig auf und werden regelrecht imposant. Kaum zu sagen, wie hoch, vielleicht 5m. In unbeobachteten Momenten schießt das Boot nach Luv ins Wellental. Die nächste Welle hat uns dann. Wie aus Kübeln ergießt sich das Wasser ins Cockpit. Immer wieder muß die Ruderwache aktiv gegensteuern. Die Windfahne allein schafft es nicht. Auf den Wellenkämmen gibt es kaum Ruderdruck. An dösen, oder gar schlafen ist nicht zu denken. Bin müde und wünsche mich nach hause in mein Bett. Einfach nur Stille! Würde man ein Stethoskop an die Atmosphärentür halten, so käme man wahrscheinlich nicht auf den Gedanken, daß dort unten Leben existiert. Nur Meeresrauschen in allen Variationen. Unser Etmal heute beträgt 135 Seemeilen. Bei gleichbleibender Fahrt währen wir bereits nach 16 Tagen und 17 Stunden am Ziel.
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Brief
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