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WRONG HAIRCUT
Die Erfinder des »Shantybilly«

Maret und Iko auf Weltreise
Brief 4 vom 16.12.2004 Teil 2



Dann aber kam endlich unsere langersehnte Abfahrt mit Getröte aus den Nebelhörnern unserer Stegnachbarn. Ein dicker Klos steckte im Hals, 752 Meilen lagen vor uns und bald vor der Insel erwischte uns die „Düse“ mit 7 Windstärken. Heiliger Strohsack, kann unser Boot schnell segeln! Beide wurden wir seekrank und schluckten erstmals kräftigere Pillen als die üblichen Homöopatischen Mittel. Unterwegs hatten wir alles, von Windstille bis Starkwind, von glattem Badetümpel bis grobe See von achtern. An das Rauschen der brechenden Wellen mussten wir uns langsam gewöhnen, aber merkten auch, dass unsere alte Albin Ballad ein tolles Boot ist und das Heck sich doch immer wieder hebt und die großen Wellen problemlos unter dem Rumpf durchlaufen lässt. Leichte Probleme machte die Windfahnen-Steuerung. Das Pendelruder war achtern zu weit ausgestellt, so daß die Wirkung auf die Pinne zu gering war. 30 Stunden lang mussten wir von Hand mitsteuern. Bei 20° Nord ließ zum Glück der Wind nach und die Wellen wurden länger und gleichmäßiger. Wir waren endlich im Gebiet des Nordostpassats angekommen. Nach genau 6 Tagen und 4 Stunden warfen wir unseren Anker in der Bucht vor Palmeira auf Sal.

Lesen bildet. Gruenzeugs

Ein erster Blick in die Runde: 35 Segelboote, überwiegend Franzosen, einige Bekannte dabei, Jeann-Pierre und Monique von der Mitik, aber auch Kismet aus Bremen, die wir auf Madeira das letzte mal gesehen hatten, lagen hier vor Anker. Vor uns am Strand ein großes Tanklager, wenig Anheimelndes, viel Gewusel an der kleinen Mole. Das Dorf Palmeira wirkte aus der Entfernung sehr schäbig. Nach 12 Stunden Dauerschlaf und einem ausgiebigen Frühstück setzten wir das erste mal einen Fuß auf die Insel. Zidane, ein 25 jähriger Einheimischer mit einem kleinen Fischerboot, der Wassertaxi spielt, Wasser von der einzigen Wasserstelle im Dorf besorgt und bei allen möglichen Problemen hilft, brachte uns an Land. Das Dorf und seine Bewohner sind sehr arm, aber wie so oft sind die Menschen um so freundlicher, je ärmer sie sind. Am Steg ist es oft glitschig vor Fischresten. Bei unserem ersten Landgang saßen Männer und Frauen beim Fischausnehmen an der Kaimauer. Fischköpfe, Innereien, Katzen, Hunde, wir mußten einfach drüber wegsteigen und befanden uns plötzlich in Afrika.

BooteNach ein paar Tagen waren wir erst wirklich angekommen. Geholfen hat uns dabei auch Carlos, ein Hamburger, der einen Trans-Ocean-Stützpunkt auf Sal unterhält. Er lebt mit seiner Frau in einem kleinen Häuschen direkt am Hafen und hat meistens die Türen offen für jeden, der anklopft. Die beiden kümmern sich rührend um die medizinische Versorgung der ärmsten im Dorf, verdonnern alle, die sich aus Deutschland ankündigen dazu, Medikamente und Verbandmaterial mitzubingen, sind ein bißchen Albert Schweitzer, ein bißchen Dieter Reckow. Carlos hat uns viel von „seiner“ Insel gezeigt. Auf einer Rundtour mit ihm um das ganze Eiland lernten wir eine Menge über die Menschen und die Landschaft und die Gefahren durch den Massentourismus im Süden Sals, der neue Probleme bringt, wie Bauspekulation, Prostitution, Aids, Drogen ... Kurz vor Ende unserer Rundtour kamen wir zu einer kleinen Bucht, in der eine Fischerfamilie in einer ziemlich einfachen höhlen-ähnlichen Hütte lebt. Die Familie zieht neben ihrer normalen Arbeit Meeresschildkröten auf. Um sie direkt nach dem Schlüpfen am Strand vor dem Gefressenwerden zu bewahren, sammeln die Buchtbewohner sie auf. In zwei Bottichen paddelten die winzigen Reptilien, die, sobald sie eine bestimmte Größe erreicht haben, ins Meer gebracht werden. Es gibt noch viele einsame, unbebaute Strände auf Sal, aber ganz in der Nähe der Schildkrötenbucht frisst sich eine Appartementsiedlung nach der anderen in die Landschaft.



Zurück in Palmeira war die Welt wieder in Ordnung. Hier ist es schäbig und staubig, aber sehr, sehr nett und herzlich. Wie uns ein Einheimischer erklärte, ist das Weihnachtsfest der höchste Festtag im Jahr der Kapverdianer. Bereits jetzt werden alle Häuser gestrichen, selbst die ärmste Hütte wird gewienert und geschrubbt und am ersten Weihnachtstag treffen sich alle Dorfbewohner in der Kirche. Danach sind alle Türen offen, jeder Gast willkommen. In jedem Haus gibt es zu Essen und zu Trinken. Klingt wie das Rummelpottlaufen auf Hallig Hooge, nur dauert diese Festzeit hier auf den Inseln bis zu den Heiligen Drei Königen.


Wir werden Weihnachten wahrscheinlich auf Sao Nicolao verbringen. Vielleicht feiern wir mit anderen Seglern, vielleicht mischen wir uns ja aber auch unter die Inselbevölkerung. Nach Weihnachten kommt dann der nächste große Sprung in die Karibik. 2100 Meilen, 16 bis 18 Tage auf See. Unser einziger Weihnachtswunsch ist, dass wir heil in Amerika ankommen. Wir wünschen Euch daheim eine schöne Weihnachtszeit, daß Ihr gesund und munter bleibt und melden uns wieder, wenn wir drüben sind.

Liebe Grüße von Maret und Iko
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