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WRONG HAIRCUT |
Die Erfinder des »Shantybilly« |
Maret und Iko auf Weltreise |
Brief 5 vom 06.02.2005 Teil 2 |
Donnerstag, 06.01.2005
Auf 35° westlicher Länge, 15° nördlicher Breite kommt uns um 06.00 Uhr Bordzeit ein Frachter entgegen. Auf unseren Funkruf „hello cargoship in vicinity, this is sailing yacht balu“ reagiert leider niemand. Schade. Wieder allein auf dem großen Atlantik. Wo wir uns gerade befinden, kommt uns erst jetzt langsam in den Sinn. Da plant man eine Reise, die ein ganzes Jahr dauern soll, um mal den Atlantik auf eigenem Kiel zu überqueren. Jetzt ist es soweit und keiner von uns beiden ist sonderlich aufgeregt oder ängstlich, aber auch der Spaßfaktor kommt noch ein wenig zu kurz. Die Dimension dieses Abschnitts wird uns immer dann bewußt, wenn wir täglich die Etmale auf dem Übersegler eintragen. Wie klein sind unsere Schritte! Heute sind es 144 Seemeilen. Absoluter Rekord. Die Mittagsbreite und Länge versetzt uns mal wieder weit nach Westen. An der Messmethode müssen wir wohl noch feilen. Noch 1544 Meilen bis zur Man Of War Bay. Das Gurkengemüse mit mashed potatoes ist köstlich.
Freitag, 07.01.2005
Wind und Welle nehmen ab. Nach einer morgendlichen Dusche unter der Pütz und einer Goldmakrele an der Angel wird die Fock wieder gesetzt. Bald schon schlagen die Segel, nur noch 5-8 KN Wind. Der Mast macht dabei richtige Sätze. Unser Deck liegt heute voll mit kleinen fliegenden Fischen. 20 Stück allein an Steuerbord. Ein ganz dicker lag im Eimer, der wird ausgenommen und eingesalzen für den Abend. In der ruhigeren See geht es uns gleich wieder viel besser. Wir grinsen uns an und freuen uns, jetzt hier sein zu dürfen. Wie schnell die menschliche Psyche doch vergessen kann! Wir sagen uns, daß wir gerne mal eine Atlantiküberquerung zusammen machen würden.
Samstag, 08.01.2005
Eine Woche auf See und so lange und weit weg von Land wie nie zuvor. Auf der Nordatlantikkarte sind wir bereits nördich von Brasilien. Die Luft wird täglich wärmer und wir verbringen den ganzen Tag nackt im Cockpit. Der Tag bringt allerdings auch ein paar Regenschauer. Endlich wird der braune Staub aus den Segeln gewaschen und das Boot bekommt wieder sein altes strahlendes Weiß. Spielen Scrabble. Maret gewinnt immer! Schiften die Genua zwei mal. Abends ist es wieder klar, rauschen mit bis zu 7,8 KN durch ruhiges Wasser. Die Wellen kommen nicht mehr dwars. So macht das Segeln Spaß!
That´s why we came here!
Das Leben an Bord nahm seinen atlantischen Lauf. Die Vorhersagen auf France International wurden immer zuversichtlicher. Alle zwei Tage genemigten wir uns eine Decksdusche mit einer Prielflasche Süßwasser hinterher zum Entsalzen. Die Sextantenmessungen wurden fortan vom Kajütdach aus vorgenommen, zwischen Baum und Handlauf eingeklemmt. Die Ergebnisse begannen den Zahlen auf unserem GPS zu ähneln. Als Rolf von Intermar eines Nachmittags plötzlich verlautbarte:„ Balu mit Maret und Iko müssten bald in der Karibik ankommen. Ich hoffe, daß Ihr uns hören könnt und wünschen Euch eine gute Fahrt“, da hätten wir fast losheulen können vor Bewegtsein.
An den Tagen mit weniger Welle begannen wir unseren Bordalltag zu filmen, konnten draußen sitzen und Scrabble spielen. Zum Bergfest gab es einen Campari O-Saft, der einzige Alkohol während der Überfahrt. Fünf Bücher wurden verschlungen, Tagebuch geschrieben, immer wieder Essen zubereitet. Jeden Tag ging die Sonne 10 Minuten später auf und natürlich auch 10 Minuten später unter, so daß die erste Ruderwache noch bis 22.00 Uhr Abends im Sonnenlicht sitzen konnte, die letzte die Stunden von 06.00 bis 10.00 Uhr im Dunklen verbrachte. Viel Wind, bis 8 bft und Kreuzseen waren leider weiterhin unsere Begleiter. Tagelang war kein einziges Vorhersagegebiet im Nordatlantik ohne Sturmwarnung. All die Tiefs, die jetzt über Deutschland hinwegfegten, schickten ihre hohen Wellen zu uns. Täglich gingen ein paar Wellen ins Cockpit. Zum Glück war es niemals bedrohlich, sondern nur extrem ungemütlich. Aufregend wurde es nur, als wir plötzlich 20 Liter Wasser pro Stunde in der Bilge hatten. Das Leck wurde schnell gefunden, es war ein undichter Flansch an der Cockpitlenzung. Eine Stunde vor Sonnenuntergang räumten wir die hintere Backskiste aus. In dicken Placken wurde Epoxyspachtel auf das Leck gedrückt, bis kein Wasser mehr kam. Kurz nach Sonnenuntergang waren wir fertig.
Am 15.01. dann ließ uns endlich der Starkwind los. Dafür drehte der verbliebene Schwachwind jede Stunde einmal um die Kompassrose. Immer wieder mussten wir die Genua von einer Seite zur anderen schiften. Das Großsegel wurde gesetzt und wieder heruntergenommen, die Fock ausgebaumt und wieder weggenommen. Irgendwann war ein Punkt erreicht, an dem es uns egal wurde, wie wir unser Ziel erreichten. Keine Lust mehr auf Atlantik! Jedoch war immer dann, wenn mal die Wellen ruhiger wurden und der Wind normal blies, sofort die Stimmung wieder gut.
Das Glück der ersten Wache! Am 18.01.um 9.00 Uhr war schemenhaft eine Insel auszumachen. Noch 27 Meilen bis zu unserem Ziel. Da es sowieso keinen Schönheitspreis mehr zu gewinnen gab, motorten wir die restlichen 27 Meilen durch. Um 15.00 Uhr fiel nach genau 17 Tagen der Anker in der Man Of War Bay bei Charlotteville auf Tobago. Es goss in Strömen und schaukelte gewaltig in dieser traumhaften Bucht. Um uns herum entdeckten wir einige Freunde wieder. Daß wir mitten im Regenwald lagen, von Pelikanen, Papageien und Korallenriffen umgeben, nahmen wir noch gar nicht wahr. Nach der anfänglichen Freude, daß auch „Stina“, „Dreamer“ und „Jason“ hier lagen, machte sich wegen des Wetters schnell Frust breit. Vielleicht holte uns auch die Anspannung der letzten Wochen ein. Solch eine Anstrengung für so einen beschissenen Empfang! Wir saßen in der Plicht, ließen uns nassregnen und köpften eine Flasche Wein.
Später beim ersten Landgang fragten wir bei der Polizei nach dem customs officer. Die freundliche Frau am Tresen, die wir kaum verstanden, rief diesen sogleich. Oh, was für ein fauxpas! Wir hatten das Festland betreten, ohne Einklarierungspapiere dabei zu haben! Das kostet normalerweise 150 US$ Strafe. „Aber seid Ihr nicht nach 16.00 Uhr angekommen?“ Wir nickten kräftig mit den Köpfen und bejahten seine Frage. Damit entfiel natürlich die Strafe, denn das Büro ist nach 16.00 Uhr geschlossen.
Auf dem Weg zurück zur Pier, an dem die Dinghies festgemacht waren, kehrten wir in einer kleinen Bar ein und trafen Beate und Jan von der „Jason“ aus Greetsiel. Es regnete seit Sylvester ununterbrochen. Dabei gab es viele Erdrutsche, bei denen sogar Menschen ums Leben gekommen waren. Die Leute hier sagten, daß es so etwas seit 100 jahren nicht gegeben hätte. Wieder einmal waren wir in ein Land gekommen, in dem das Wetter außer Rand und Band ist.
Nach 17 Tagen Atlantik das Ziel erreicht: Man Of War Bay
Am Ankerplatz hing schon seit zwei Wochen die Wäsche an der Reling, triefend nass und muffig. In den Schränken bildete sich Schimmel. Die Stimmung war etwas gereizt, aber mit ein wenig Sarkasmus und schwarzem Humor gespickt immer noch gut.
Für den überwiegenden Teil der Segler war das Erreichen dieser Bucht der Landfall nach der Atlantiküberquerung. Chartersegler kommen hier nicht her, zu weit liegt die Insel von den üblichen Charterrouten entfernt.
Vielen Seglern waren wir bereits einmal begegnet in den letzten sieben Monaten. Da war der etwas kauzige Don von der „Victoria“ aus England (Mischung aus Herbert Feuerstein und Mister Bean). Trotz Dauerregens konnte er es kaum fassen, wie toll es hier war. „I´ll never go back to England“, war sein Motto. Täglich bekamen wir es zu hören. Völlig begeistert war der Skipper der Dania aus Dänemark damals auf Teneriffa, eine Albin Ballad so weit von zuhause entfernt zu treffen. Inzwischen hatte er auf Gran Canaria einen schlimmen Unfall, der ihn fast das Augenlicht gekostet hätte. Nur durch die gute Arbeit eines plastischen Chirurgen ist sein Gesicht heute halbwegs wieder normal. Sylvie und Dominique aus Südfrankreich lagen auf Madeira neben uns. Die Kinder gehen auf die internationale Schule und bekommen ihre Hausaufgaben per E-Mail. Tochter Oceane konnte bereits ihren eigenen Namen und den ihres Bruders Louis schreiben. Mit unseren hatte sie anfänglich noch Probleme. Von Jan und Beate sollen wir Hero von den Allstars grüßen und die Bunkes auf Norderney. Das alte Spiel der Landeier: Woher kommst Du, ach kuck, kennst Du den? Reinhard aus Flensburg war allein auf dem Atlantik und hatte 10 Tage Flaute. Nach 28 Tagen kam er hier an. Da mussten wir ganz leise sein, als er seine Geschichten erzählte. Tine und Frank von der „Stina“ aus Hamburg warteten bereits seit Tagen auf uns. Den ersten Abend in der „Neuen Welt“ verbrachten wir bei ihnen an Bord und aßen frischen Tuna. Im Laufe der Nacht wurden die Abenteuer immer gefährlicher und die Wellen größer und größer. Und so wie draußen der Regen, floss in der Kaujüte der Wein.
In den nächsten Tagen wurde das Wetter sehr schön und unsere anfängliche Frustration wich einem Dauergrinsen. Tobago entpuppte sich als ein Kleinod. Die Menschen leben im Schlendergang. Hey cool man, feeling fine? Jeder grüßt jeden. Abends sitzt das ganze Dorf auf der Mauer am Strand und palavert. Das Leben ist ausgesprochen unhektisch und dazu auch noch sehr preiswert.
Wasser bekamen wir entweder an einem öffentlichen Wasserhahn an der Sporthalle, oder direkt aus einer Quelle am Rand des Regenwaldes. In den Regenwald zog es uns zweimal. Beim ersten Versuch versanken wir fast im Schlamm. Der zweite Versuch fand während einer Inselrundtour statt und war erfolgreicher. Diesmal trugen wir Gummistiefel und hatten einen ortskundigen Führer dabei. Dieser Tag endete an einem Wasserfall mit einem kühlen, klaren See voller Forellen, in den wir völlig begeistert eintauchten. Wie schon so oft, war es auch diesmal nicht leicht, sich von unserem Ankerplatz zu trennen, aber wir wollten weiter nach Norden. Daß wir dabei Trinidad ausließen, machte uns einerseits etwas traurig, aber es wäre ein Schlenker weiter nach Südwesten gewesen und über Karneval ist die Insel völlig überfüllt mit Seglern. Wir wollten uns auch sechs Tage Dauerbeschuss mit der auf Dauer stressigen und immer total lauten Karnevalsmusik ersparen (Mischung aus Calypso, Pogo und Techno).
Sonntag, 30.01.2005
Maret hat Geburtstag! Toller Tag und bestes Wetter! Nach dem Baden backe ich einen Kuchen im Dampfdrucktopf, während Maret schnorchelt. Um 15.00 Uhr kommen Reinhard und Andrea und Heinz aus Österreich zum Kaffee und Kuchen. Legen um 17.00 Uhr ab. Genießen die sternklare Nacht. Drei bft aus Nordosten, halber Wind für unsere Tour nach Grenada. Möchten gar nicht schlafen gehen. Mit der Sternkarte aus dem „Doyle“ entziffern wir den Nachthimmel. So hätte es mal während der Atlantiküberquerung sein sollen! Segeln mit 5 KN und wenig Welle nach Nordwesten. Mag während der Wache die Augen gar nicht schließen, so schön ist es.
Montag, 31.01.2005
Um 07.00 Uhr kommt Land in Sicht, gegen 09.00 Uhr sind wir bereits im Süden der Insel, bei der Prickley Bay. Ein Regattafeld voll strahlend weißer Charterschiffe versucht bei fast Flaute voran zu kommen. Die letzten Meilen fahren wir unter Maschine bis St.Georges. Von weitem sieht man schon die kahlen Baumstämme an den Hängen. Viele Häuser haben Plastikplanen auf den Dächern. In der Lagoon gehen wir vor Anker. Inga und Sören sind auch hier. Großes Wiedersehen nach zwei Monaten. In der Lagoon liegen noch einige Schiffswracks. Von 65 Booten schwammen nach Durchzug des Hurricanes nur noch 9, erzählt uns Sören. Wir gehen zu Fuß in die Stadt. Es sind doch viele Häuser zerstört, Kirchen regelrecht zusammengefallen. Viel alte Englische Kolonialarchitektur fast ausgelöscht. Im Internetcafe treffen wir Christine. Wir hatten sie zuletzt auf Sal gesehen. Sie trampt um die Welt. Nach der Atlantiküberquerung auf der Freydis mit dem fast legendären Erich Wilts aus Leer fährt sie heute Abend auf einem Bananenfrachter weiter nach Trinidad. Auf dem Rückweg schauen wir in eine Baracke neben einem Sportplatz. Eine Steelband probt sicherlich für Karneval. Ca. 20 junge Frauen hämmern auf glänzende Stahlfässer. Tolle Musik!
St.Georges (Greanada)
Grenada sollte nur ein Zwischenstop sein, um vor den Grenadines noch einmal richtig einzukaufen. Doch selbst das hurricanegerupfte St.Georges erschien uns allein schon wert, hier länger zu bleiben. Doch nach einem riesigen Einkauf im Foodfare (man legt mit dem Dinghy direkt am Foodfare Anleger an. Für Segler gibt es 5% Rabatt.) zogen wir weiter nach Carriacou. Diese Insel gehört auch noch zum Ministaat Grenada. Direkt nebenan liegt schon Union Island, das im Staatsgebiet von St.Vincent liegt. Auf Carriacou begann das traditionelle Karibikprogramm mit Schnorcheln bei Sandy Island (was für komische Fische es gibt und wie wohl die Natur auf die Form des Drückerfisches kam?) und abends der Sundowner in Rosies schwimmender Bar. Maret hatte ihren ersten Tauchgang bis 19 Meter Tiefe. Bis wir den Lobster, den wir direkt vom Fischerboot gekauft hatten, erlegt und in kleinere Teile zerlegt hatten, war uns fast der Appetit vergangen, so sehr tat uns das arme Tier leid.
Am 09.02. spielen wir in Rosies Bar. Rosie ist eine Schottin aus Edinborough, die seit 14 Jahren auf der Insel lebt. Täglich lernen wir neue Leute kennen. Vor ein paar Tagen erst hatten wir die Begegnung der dritten Art mit einer Gruppe von segelnden 27 Kanadiern, für die wir die Attraktion schlechthin waren. Wie man mit so wenig Geld auskommen kann, war ihnen ein Rätsel. Doch am meisten beeindruckte sie, daß wir keinen Kühlschrank an Bord haben. Während sie sich schnell wieder ihrem Reviermarken-Setzen-Spiel widmeten (wer verdient am meisten, wer kennt die wichtigsten Leute), grinsten wir in uns hinein und bemerkten einmal mehr, wie gut wir es gerade haben!
Liebe Grüße von Maret und Iko
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Brief
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