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WRONG HAIRCUT
Die Erfinder des »Shantybilly«

Maret und Iko auf Weltreise
Brief 6 vom 24.06.2005


Antigua – Azoren, die Reise im Inneren eines Cocktailshakers

Am ersten Juni sind wir beiden nach nur 20 Tagen sicher und sehr glücklich in Horta auf der Azoreninsel Fajal eingelaufen. Uns ist nichts passiert und zieht man die nassen Polster, den Schimmel auf allem, was organisch ist (Schuhe, Gemüse, Schmuckkästchen, Kamerahülle, etc..) und den feinen Ölfilm im ganzen inneren Rumpfbereich ab, hat es uns sogar ziemlichen Spaß gemacht.

Am 12.Mai konnten wir uns endlich von Falmouth Harbour in Antigua trennen. Jol, der alte Wettermann von Antigua Radio hatte uns noch eine beruhigende Prognose mit auf den Weg gegeben. Natürlich überquerte uns gleich in der ersten Nacht eine Warmfront, die zwölf Stunden tropischen Dauerregen und viel Wind brachte. Mit drei Reffs im Groß und der kleinen Fock stampften wir gegen die Wellen und den Nordostwind. Wo überall Wasser ins Boot eindringen kann, wußten wir spätestens jetzt! Am schlimmsten lief es durch die beiden Lüfter am Heck, die sich nicht richtig verschließen lassen. Durch das Lüftungsrohr für den Motorraum schoss das Salzwasser über unsere ölige Maschine. Die starken Bewegungen des Bootes verteilten die Suppe schön gleichmäßig im Innenraum. Wir fühlten uns wie im Inneren eines Cocktailshakers.

Position 37°23N 34°46WAber was ist der Mensch doch für ein Meister der Verdrängung! Kaum schien die Sonne, strahlten wir mit ihr um die Wette. Nach einer Woche machten wir bei schönstem Wetter den ersten Badestop. Der brachte uns in Erinnerung, daß wir uns auf dem Weg nach Norden befanden, das Wasser kam uns eisig kalt vor. Eine ausgewachsene Dorade an der Schleppangel war dann noch die Krönung dieser angenehmen Zeit. Doch im Norden lauerte über Neufundland ein riesiges Tief mit der Neigung, sich zu vertiefen und in unsere Richtug nach Osten zu wandern. Segler, die von den Bermudas aufbrachen hatten stürmische Bedingungen.

Jeden Tag zur gleichen Zeit begann die Wetterstunde mit den Faxen aus dem Weltempfänger und der Beratung von Herb Hilgenberg, Southbound II. Boote mit Kurzwellensender melden sich bei ihm an und geben täglich ihre Positon durch. Er sitzt irgendwo in Kanada und verteilt mit atemberaubender Geschwindigkeit sehr individuelle Routen-Ratschläge. Wir konnten meistens ein Boot in unserer Nähe finden, dessen Kurs wir verfolgten. Nicht nur einmal waren wir ihnen so nahe, daß wir uns per UKW verabreden konnten. Mit Skylax und Seven Tenth (England und Neuseeland) verbrachten wir einen sehr netten Abend in Horta.

Es mussten hunderte von Booten gewesen sein, die so wie wir mit Hilfe von Herbs Ratschlägen die Tiefdruckmonster umschifften und sicher nach Horta geleitet wurden. In den letzten vier Tagen unserer Überfahrt hatten wir frischen Südost bei herrlichem Sonnenschein, Etmale von mehr als 150 Meilen brachten uns schnell unserem Ziel näher.

In Horta drängelten sich die Boote am Meldesteg. Bis zu 50 Ankünfte am Tag sollen es gewesen sein. Nachdem wir uns lange genug erholt hatten, die Wäsche gewaschen, das Boot wieder bewohnbar und der Jetlag überwunden war (den gibt es durch die festen Ruderwachen tatsächlich auch beim Segeln), begannen wir die Insel zu erobern. Fajal hat Wallhecken, wie Cornwall, grüne Wiesen, wie Irland, Kühe, wie Friesland und in den geschützten Ecken eine tropische Vegetation, wie die Antillen. In der Mitte ragt der Cabeco Gordo mit seinem 400m tiefen Kraterschlund wolkenverhangen 1000 Meter aus dem Grün. Am Westende steht ein Leuchtturm einsam inmitten einer Marslandschaft. Hier hat ein Vulkanausbruch 1957 das Ende der Insel um einen Kilometer verschoben und viele Menschen obdachlos gemacht. Der Regen und das matte Licht gaben der Landschaft einen noch trostloserenen Reiz.

Die Abende in Horta verbrachten wir bei Freunden an Bord. Gitarre und Akordeon waren oft dabei. Auf der Marguerite, dem Cornish Pilotcutter von 1893 musizierten wir zusammen mit Rob, dem Skipper. Jonathan und Matmat, die beiden kleinen Söhne sangen lauthals im Chor. Auf Magic Gandalf aus der Normandie spielten wir viele Französische Shanties. Sylvie am Knopfakkordeon, Jean-Noel, der Maler, Julie und Lea, 12 Jahre jung und schon den ersten Liebeskummer wegen Louis (12), der sie Richtung Marseille verlassen mußte.

ErinnerungsstückDie vielen Abschiede sind ein ein unangenehmer Aspekt einer so langen Reise. Doch auch wir mußten jetzt Abschied nehmen. Hier auf den Azoren trennen sich fast alle Wege. Die einen segeln ins Mittelmeer, die anderen nach Brest und einige bleiben einfach hier, oder segeln weiter nach Brasilien, wie Frederico, der graubärtige Einhandsegler aus Rio de Janeiro. Ein letztes mal trafen wir uns in Peter´s Cafe Sport. Wir segelten die 150 Meilen südost nach Sao Miguel, um Wiebke aufzulesen. Am 26.Juni geht es dann weiter nach Falmouth in Cornwall. Auf den 1200sm nach Nordosten werden wir hoffentlich so viel Glück haben, wie wir bisher auf unseren langen Strecken hatten. Drückt uns die Daumen!

Liebe Grueße
Maret und Iko
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