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WRONG HAIRCUT
Die Erfinder des »Shantybilly«

Maret und Iko auf Weltreise
Brief 5 vom 09.05.2005 Teil 2


Neunzehn Inseln - vor dem langen Weg nach Hause

Unsere Maschine

Zwischendurch muckte immer wieder mal unsere Maschine, als brauche sie bei Zeiten ein paar Streicheleinheiten. In Palm Island hingen wir eines Abends fest und kamen nicht mehr vom Fleck. In Union wurde der Wasserabscheider mit Epoxi geflickt, das hielt immerhin ein paar Tage. Auf dem Weg nach Bequia verließ der Volvo uns wieder, gerade, als es dunkel wurde und wir in eine Bucht navigierten. Auf Bequia gab es dann tatsächlich einen neuen Feinfilter mit Wasserabscheider für unseren Motor. Aus lauter Dankbarkeit hätten wir dem freundlichen Schiffsausrüster fast den gesamten Laden leergekauft.

Danach machte der Auspuff Geräusche, als wolle er gleich bersten. Maret zerlegte den Auspufftopf, während Iko mit Tine und Frank bei Cloretha Dean am Marktstand C30 waren. Der Topf war dicht. Nach einigem Entlüften der Dieselleitungen war dann erst mal wieder Ruhe. Noch einmal hingen wir auf Antigua über unserem 28 Jahre alten Volvo-Penta, als plötzlich Wasser ins Schiff kam. Die Kühlwasserpumpe war leck. Zum Glück bekamen wir die richtigen Ersatzteile zügig. Wenn wir zurück kommen, sind wir gewiss noch keine ausgebildeten Mechaniker, können aber mit Recht sagen, daß Volvo viel Mist in die Manschinen gebaut hat.

Dominica im April

Bei Marie und AlexHier hatte Maret nach ihrer ersten Atlantiküberquerung für einige Wochen bei einer einheimischen Familie gelebt. Alex, River Guide und Marie empfingen uns mit offenen Armen. Die Familie begleitete uns auf vielen Fahrten und Wanderungen durch die unglaubliche Natur der Insel. Für die beiden Töchter Luna und Windy war Iko wegen mitgebrachter Möhren fortan Mr.Carrot.

Dominica:"Wanderung mit Michael, dem alten Rastafari zum Brandy River und Wasserfall. Marie bringt uns in ihrem alten Klapper-R4 nach Bourne, einem kleinen Dorf in den Bergen. Dort treffen wir auf Michael Joseph. In den nächsten zwei Stunden versuchen wir mit ihm Schritt zu halten, was gar nicht so einfach ist. In langen, ruhigen Schritten rast er davon, über Stock und Stein, über den Brandy River und wieder zurück, immer steil aufwärts, dem Wasserfall entgegen, der keinen Namen hat. Die ganze Zeit über erzählt Michael über seine Bergwelt, die Natur und seinen Einsatz für deren Schutz. Oben am Wasserfall steckt er sich erst mal einen Joint in den Mund und wir packen unsere Brote aus. So imposant ist der Fall nicht, viel zu trocken waren die letzten Monate, aber die riesigen Felsbrocken am unteren Ende erzählen andere Geschichten.

Jah Rastafari MaretDer Brandy-River mündet in den Indian-River. In der Nähe der Gabelung wollte ein findiger Investor eine Mülldeponie errichten. Alle Menschen von hier bis zum 20km entfernten Portsmouth trinken das Wasser dieses Flusses. Was für ein Irrsinn! Michael hat es zusammen mit den Bewohnern von Bourne geschafft, die Arbeit an der Deponie zu stoppen. 100.000 US$ sollen hier bereits verbaut sein.

Auf dem Rückweg kommen wir an einem Feld vorbei. Ein Bauer erntet große Knollenfrüchte, die wie Kartoffeln aussehen. Yam heißt die Wurzelfrucht. Der alte einzahnige Farmer zeigt uns die Knollen und schenkt uns ein paar davon, nebst Kochanleitung. Silk-Yam und Yam-Yam. An einer kleinen Kokosplantage machen wir Halt. Michael köpft für jeden eine grüne Kokosnuß. Der Saft ist sehr erfrischend, der Jelly im Inneren schmeckt fast wie Pudding.

Auf dem Wege zu seinem Haus führt Michael uns noch zu einem alten Bahndamm. Hier haben die Engländer vor knapp hundert Jahren die Früchte vom wilden Osten der Insel zum geschützten Westen verfrachtet. Die Schienen liegen noch im Urwald, eine Brücke über den Brandy-River ist eingestürzt, verrottet. Am alten Bahndamm wächst mannshohes Gras, Zitronella. Am Boden raschelt es, die Echsen sind überall, die Mäuse der Tropen.

Michaels Haus liegt direkt an der Straße nach Portsmouth. Er hat es selbst gebaut. Es reicht über drei Stockwerke. Von ganz oben hat man einen tollen Ausblick auf die Berge."


Eines morgens um sieben war die Ruhe vorbei. Unser Beiboot war über Nacht abgeschnitten worden und zusammen mit dem Außenborder verschwunden. Wir hatten gleich einen Typen in Verdacht, der ein paar Tage zuvor auf seinem Surfboard angepaddelt kam und das Unterwasserschiff putzen wollte. Man nannte ihn Bombalocks. Da er uns nicht besonders sympathisch war, bekam er keinen Job. "Then give me 5 EC". Als wir auch diesem Anliegen nicht nachkamen, zog er sauer ab. Tage später umkreiste er unser Boot und sang Verwünschungen "You gave me no job, you gave me no job".

Suchaktionen mit Hilfe von Alex und einigen Seglern folgten. Steckbriefe mit Photo wurden in jedem Restaurant aufgehängt, Durchsagen über UKW gemacht. Es half nichts. Die Polizei in Portsmouth machte nicht den Eindruck, als würde sie unser Fall besonders interessieren.

Antigua im April bis Mai

Als wir Wochen später auf Antigua ankamen, erreichte uns die Nachricht, daß unser Dinghy tatsächlich bei Bombalocks gefunden worden war. Der Motor blieb leider verschwunden. Inzwischen hatten wir uns ein neues Boot gekauft. Unser altes Dinghy brachten Alex und Marie nach Guadeloupe, wo wir uns mit ihnen trafen. Damit hatten wir zwei Beiboote, wir verkauften unser altes an Tine und Frank von der Stina.

In Antigua lag unterdessen die größte Ansammlung alter Yachten, die wir je gesehen hatten. Die Classic Week in English Harbour ist ein jährlich stattfindender Auftrieb der schönsten, größten und schnellsten der J-Class. Daneben lagen viele uralte Cornish Pilotboats, Kutter, Slups, Yawls, Rahsegler. Einen Tag verbrachten wir draußen auf dem Rundkurs und sahen der betagten Armada zu. Bei den Großen hatte die Velsheeda vor der Windrose und der Ranger gewonnen. Auf der Margerite aus Falmouth feierten wir deren 112. Geburtstag zünftig mit einer irischen Folkband und Rob, dem singenden Skipper.


Iko unter der Palme

Green Island, Antigua


Antigua, West-Indies

In den letzten 8 Tagen lagen wir hinter einer kleinen Felsinsel, Green Island in der Nonsuch Bay. Umgeben von Korallenriffen und ein paar netten Ankernachbarn. Zur Vorbereitung unserer zweiten Atlantiküberquerung sind wir wieder nach Falmouth Harbour gezogen, wo Reinhard und Tine und Frank auch schon in den Startlöchern liegen. Täglich verlassen zwei, drei Boote unter lautem Tuten der Hörner die Bucht, um Kurs auf die Azoren zu nehmen.

Heute haben wir den 8. Mai und unser Aufenthalt in der Karibik neigt sich unwideruflich dem Ende zu. Noch drei, vielleicht vier Tage, dann beginnt für uns der lange Rückweg nach Deutschland. 2200 Meilen beträgt der große Bogen bis zu den Azoren. Dort haben wir hoffentlich noch einmal drei Wochen Aufenthalt bis zum 24.Juni. Dann kommt Wiebke aus Berlin nach Sao Miguel und begleitet uns nach England. 1200 Meilen, das Stück der Reise, vor dem wir den größten Respekt haben. Ende Juli wollen wir in Deutschland sein.

Ab jetzt wird wieder täglich über das Wetter mirakelt, werden Wetterfaxe aus New Orleans und Boston via Weltempfänger auf den Laptop gezogen und die Radioquellen auf SSB-Kurzwelle gecheckt. France International, Atlantic Crossing Net, Intermar, Herb, Hugo, Chris, George und wie sie alle heißen.

Vor zwei Tagen noch war die Wettersituation noch so undurchschaubar, daß wir gar nicht wußten, ob wir wirklich zum gesetzten Zeitpunkt loskommen. Wie eingemeißelt lag dort, wo sich eigentlich zu dieser Jahreszeit ein dickes Azorenhoch etablieren sollte, ein Sturmtief. Die nächsten Tiefs warteten schon an der US-Ostküste. Gestern jedoch gab es zum ersten mal eine positive Prognose, die allgemein Unruhe vor Ort brachte. Reinhard wollte heute schon lossegeln, kehrte aber wieder um, kein Wind.

Heute abend gehen wir noch einmal nach Shirley Hights. Oben auf dem Hügel über der alten, Georgian Hafenanlage, Nelson´s Dockyard, spielt jeden Sonntag eine Reggae-Band. Dazu gibt es was vom Grill. Ein letzter Blick zu den Nachbarinseln Guadeloupe und Montserrat. Ein bisschen Wehmut ist schon dabei, diesen Ort zu verlassen.

Wenn nicht im Juni die Hurrican-Saison begänne, könnten wir es durchaus noch länger hier aushalten. Aber die Erfahrenen unter den Atlantikseglern sagen, es sei ratsam, wegen der Hurricans bis zum 15. Juni östlich 50 Grad westlicher Länge zu sein. Falls wir am 10. Mai aufbrechen, waren wir genau 16 Wochen in der Karibik. Zählt man jeden Sandhaufen mit, den wir betreten haben, kommen wir auf insgesamt 19 Inseln.

In den letzten Tagen saßen wir oft mit unseren Segelfreunden zusammen und haben erste Resumees gezogen. Wo war es am schönsten? Könnten wir hier leben? Würden wir es noch einmal machen? Die Antworten waren naturgemäß sehr unterschiedlich. In einem jedoch waren alle gleich: so langsam freuen wir uns auf zuhause!

Liebe Grüße Maret und Iko
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